17.01.2023

Städtischer Haushaltsplan nach Vorgaben der Aufsichtsbehörde – Freie Wähler sehen sich in ihrer Kritik bestätigt!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

der uns vorliegende Haushaltsplanentwurf ist den Ermahnungen des Regierungspräsidiums geschuldet.

Hatte doch die Aufsichtsbehörde vor rund einem Jahr von der Stadt verlangt, dass ein Konzept zur Konsolidierung erstellt werden müsse, weil sich – ich zitiere – „der städtische Haushalt in einer strukturellen und anhaltenden Schieflage befindet, die sich nicht nur mit geringfügigen Korrekturen beheben lässt“.  Diese „Gelbe Karte“ ist kein Ruhmesblatt, sowohl für die Verwaltung als auch für den Gemeinderat! Wir Freien Wähler sehen uns in der Kritik bestätigt, weil wir seit Jahren vor dieser Entwicklung stetig steigender Ausgaben und damit einhergehender Verschuldung gewarnt haben. Deshalb auch unsere Ablehnung des Haushaltsplans im vergangenen Jahr!

Unsere Verwaltung war zwingend gefordert, mit dem im November verabschiedeten Nachtrag und dem Entwurf für 2023 den Vorgaben des RP zu folgen. Mit einem so nicht zu erwartenden Plus bei der Gewerbesteuer (von 10,5 auf 13 Mio Euro) und höheren Zuweisungen des Landes, einer Reduzierung der geplanten Baumaßnahmen und Anschaffungen gelingt es, auf eine Kreditaufnahme zu verzichten und gleichzeitig die Verschuldung zu vermindern. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass ein Ausgleich nur möglich ist, weil die Liquiditätsreserve von rund 17,8 auf 10 Mio Euro schrumpft, wir also unser Erspartes kräftig anzapfen müssen.

Unsere Kämmerin rechnet folge dessen mit einer Genehmigung des vorgelegten Haushaltsentwurfs durch das RP. Eine dauerhafte Konsolidierung unserer Finanzen ist damit aber keinesfalls gegeben. Denn für den Planungszeitraum bis 2025 fordert das RP weitere einschneidende Korrekturen, um die Eigenfinanzkraft zu erhöhen und die Neuverschuldung zu begrenzen.

Wie dies bei der Fülle dringend notwendiger Vorhaben gelingen soll, ist allerdings nur schwer vorstellbar: Sanierungsstau bei Schulen, insbesondere der Mörike-Realschule und der Dürrmenzer UvD-Schule, Neubau und Sanierung von Kindergärten, Hochwasserschutz in allen Stadtteilen und der Ausbau stark sanierungsbedürftiger Straßen wie der Hermann-Hesse oder der Lindachstraße. Investitionen von mehreren Zig-Millionen Euro und keiner weiß, wie dies alles finanziert werden soll.

Für viel Ärger und Kritik sorgt bei unseren Bürgern, dass einige dieser Vorhaben von einem ins nächste Jahr verschoben werden. Dies auch deshalb, so die Aussage der Stadtverwaltung, weil die Fülle der Maßnahmen im Hoch- und Tiefbau vom vorhandenen Personal nicht abgearbeitet werden kann. Für uns nicht immer nachvollziehbar, weil gleichzeitig Gutachter, Architekten und Fachplaner für hohe Honorarsummen von außerhalb beauftragt werden. Schön wäre es, man würde ab und zu über die oft selbsterrichteten bürokratischen Hürden springen, dann könnte das eine oder andere schneller erledigt werden.

Das schrittweise Abarbeiten notwendiger Aufgaben wird auch dadurch behindert, weil die Verwaltung seitens des Gemeinderats mit hunderten von Anfragen und Anträgen regelrecht bombardiert wird. Viel unnötiger Papierkram mit großem Zeitaufwand für die Bearbeitung entsteht, in den wenigsten Fällen aber ohne nachhaltigen Nutzen für die Allgemeinheit.

An Projekte wie den Neubau einer Stadthalle ist derzeit angesichts der schlechten Haushaltslage nicht zu denken. Investorenlösungen können geprüft werden, aber auch sie würden die Haushalte belasten und Spielräume für andere vordringlichere Aufgaben einengen. Wichtig ist uns Freien Wählern aber die rasche Beseitigung der Baugrube in der Stadtmitte und wir erwarten, dass in diesem Jahr an umsetzbaren Lösungen gearbeitet wird.

Enorme Folgekosten erfordern Pflichtaufgaben, die uns vom Bund oder dem Land aufgezwungen werden: Ganztagesbetreuung in Kitas und Grundschulen oder die Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge. Schon heute muss die Stadt für die 20 Kindergärten, acht Grundschulen und vier weiterführende Schulen jährlich nahezu 10 Mio Euro zuschießen! Hier sind beide staatlichen Ebenen aufgefordert, auch über den notleidenden Kommunen ihr offensichtlich milliardenschweres Füllhorn auszuschütten. Angesichts ernüchternder PISA-Studien-Vergleiche und ausufernder Jugendgewalt wird hoffentlich allen deutlich, dass im Erziehungs- und Bildungsbereich nicht gespart werden kann und darf.

Dass die GroKo - Mehrheit aus CDU, LMU und SPD der Verwaltung dazu noch den Neuaufbau der Jugendsozialarbeit aufgebürdet hat, macht uns nach wie vor fassungslos. Den seitherigen freien Trägern wurde die über Jahre bewährte Arbeit entzogen, um wie es begründet wurde, „selbst die Richtung vorzugeben“. Wer damit gemeint ist und wer dies tun soll? Hoffentlich nicht der über allem schwebende pädagogische Sachverstand der 26 Weisen (mit einfachem s) des Gemeinderats! Unsere Prognose: Jugendsozialarbeit wird teurer, aber nicht besser!

Diese Neustrukturierung sorgt jedenfalls für eine weitere Aufblähung des Personals, denn es wurde als erstes eine neue Stelle geschaffen, die der Jugendpflegerin. Haushaltskonsolidierung muss aber bei den Personalkosten anfangen, zwischenzeitlich sind wir bei 22 Mio Euro angelangt. Um zukünftig Ausgaben einzugrenzen, darf man auch nicht bei allen Förderprogrammen „Ja“ sagen, nur weil Bund oder Land sich ein- oder zwei Jahre an den neuen Stellen kostenmäßig beteiligen: Klimamanagerin, Integrationsbeauftragte, Mobilitätsbeauftragte sind dazu Beispiele. Unsere benachbarten Gemeinden verzichten auf solche Stellen!

Und jetzt zum Erfreulichen! Zu bemerken ist, dass trotz der „Stapel-Krisen“ einiges umgesetzt werden soll. Schwerpunkt dieses Jahr ist Lomersheim mit der Sanierung der Wendlerschule, der Mehrzweckhalle und eines neuen Feuerwehrgerätehauses. Wie überhaupt die weiteren derzeit laufenden Sanierungsgebiete positiv herauszuheben sind: Mühlhausen, Lienzingen und Dürrmenz. Viele Millionen Euro investieren Stadt, Land und Privatleute, und sie sorgen damit für die Erneuerung der Ortskerne und Modernisierung der Wohnungen. Rasch ins Auge fassen sollten wir aus diesen Gründen auch jetzt schon den Stadtteil Enzberg!

Dass wir über unsere Stadtwerke immense Steuermittel von nahezu 30 Mio Euro von Bund und Land für den Ausbau des umfassenden Glasfaserausbaus erhalten konnten, freut uns genauso, wie die Förderung zum Ausbau und der Weiterentwicklung der Biomethan-Anlage. Letzteres ein wichtiger Baustein einer klimaschonenden Energiegewinnung und nachhaltiger Dünge- und Rohstofferzeugung.

Diese positiven Entwicklungen haben uns die Entscheidung erleichtert, trotz der genannten Kritikpunkte und Fehlentwicklungen dem Haushaltsplan 2023 zuzustimmen!

Wir danken Ihnen, Herr Oberbürgermeister Schneider und Ihnen, Herr Bürgermeister Abicht, mitsamt Ihren Amtsleitern, den Verantwortlichen der Stadtwerke und der Eigen- und Regiebetriebe, sowie allen fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre Arbeit in schwierigen Zeiten.

Rolf Leo

Fraktionsvorsitzender

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