GR-Sitzung am 28.02.2012
Rede der Freien Wähler zur Verabschiedung des Haushalts 2012
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
auf den ersten Blick hin verabschieden wir heute einen recht erfreulichen Haushaltsplan für das Jahr 2012. Dies, weil der Schuldenstand von 43 Mio. auf 29 Mio. gesenkt werden konnte und wir ohne Neuverschuldung auskommen. Letzteres kam in den letzten Jahren nur ganz selten vor. Die Gründe dafür sind bekannt: Wir haben einen beträchtlichen Teil unserer Schulden in den Eigenbetrieb Abwasser verschoben und auf große Investitionen in diesem Jahr verzichtet. Deshalb kein Tag der Freude, sondern mehr ein Tag des Nachdenkens über die mögliche Finanzierung und Machbarkeit der anstehenden wichtigen Aufgaben.
Anlässlich der Einbringung des HH vor sechs Wochen betonten sowohl der Oberbürgermeister als auch Kämmerer Gerst, dass wir die finanzielle Lage unserer Stadt kritisch überprüfen müssten. Große Sorge bereitet allen die sich auf sehr niedrigem Niveau einpendelnde Gewerbesteuer, weshalb in letzter Zeit oft davon gesprochen wurde, dass unsere Stadt ein Problem habe: nämlich das der fehlenden Einnahmen.
Dazu ein Zitat: „Der Hauptpunkt einer guten Verwaltung ist leicht zu erfassen: Er besteht darin, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen“. Mit dieser Bemerkung kritisierte der bekannte franz. Staatstheoretiker Montesquieu die verschwenderische Ausgabenpolitik absolutistischer Herrscher seiner Zeit. Und der Vergleich zu Mühlacker? In seiner Einbringungsrede des HH formulierte unser OB folgendes: „Die Positionen Einnahmen und Ausgaben müssen in Einklang gebracht werden!“ Beide haben recht und deshalb können wir Freien Wähler uneingeschränkt dieser Forderung zustimmen. Wenn jetzt den Worten auch Taten folgten, könnte nicht nur der Erfinder der Gewaltenteilung sehr zufrieden auf uns herunter blicken, sondern auch wir wesentlich klarer und deutlicher in die Zukunft.
Angesichts der Fülle der vor uns stehenden Aufgaben und ungelöster Probleme allerdings eine schwer umsetzbare Agenda. Der Kämmerer verwies darauf, dass selbst ohne die von vielen gewünschten großen Projekte wie Kultur- und/oder Sporthalle, Sanierung der Festhallen oder der Tiefgarage es ohne zusätzliche Kreditaufnahmen nicht gehe. Er sprach von sechs Mio. weiteren Schulden bis zum Jahr 2015.
Dürfen wir deshalb angesichts der misslichen Lage überhaupt noch davon träumen,
das eine oder andere der großen Vorhaben auf den Weg zu bringen? Müssen wir nicht einsehen, dass wir seit Jahren über unsere Verhältnisse leben? Sollten wir nicht lernen, kleinere Brötchen zu backen?
Unsere Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass wir eingebunden sind in ein enges Korsett bereits feststehender Ausgaben: Die Sanierungsprogramme in Lienzingen, Mühlhausen, der Kernstadt und Dürrmenz binden jährlich zwischen ein und zwei Mio Euro. Sie alle sind dringend notwendig und existentiell wichtig für unser Gemeinwesen, weil Wohnen und Einzelhandel nur in sanierten Gebieten eine Zukunft haben. Lomersheim muss deshalb bald folgen.
Unsere Schulen werden auch in den kommenden Jahren neben dem laufenden Unterhalt größere Investitionen für Brandschutz, Mensabauten oder neue Fenster erfordern. In diesem Jahr sind für das THG 1,5 Mio. im HH ausgewiesen, für die Innenrenovierung und die Fassadensanierung sind ähnlich hohe Beträge in kommenden Jahren einzuplanen. Die UvD-Schule, die Schiller- und die Wendlerschule müssen dann folgen, wenn klar sein wird, wohin die Bildungsreform – so man sie als solche bezeichnen kann - die Kinder zukünftig schleusen wird. Auch für die Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften im Kleinkinderbereich sind weitere Ausgaben unumgänglich.
Sorgen bereiten uns mehr denn je die Personalkosten. Zwischen 1992 und 2007 stiegen die Ausgaben für das Personal in 15 Jahren maßvoll von rund 10 auf 11,5 Millionen. Ab 2008 bis zum heutigen Tag – also in nur vier Jahren – aber explosionsartig auf knapp 15 Millionen. Wir liegen damit deutlich über dem Landesdurchschnitt. Mit der Übernahme einiger Kindergärten und den vermehrten Ausgaben für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen sind nur einige der Gründe nachvollziehbar.
Wir Freien Wähler fordern seit Jahren, die Verwaltung strukturell unter die Lupe zu nehmen und ein Personalentwicklungskonzept zu erarbeiten. Wir fordern nicht zum ersten Mal den Vergleich mit anderen Städten (Benchmarking). Die Nachbarstadt Vaihingen z.B. hat Personalkosten in genau derselben Höhe, jedoch rund 3000 Einwohner mehr als Mühlacker. Es muss überprüft werden, ob alles das, was die Verwaltung heute an Leistungen erbringt, auch noch richtig und finanzierbar ist. Je länger wir damit warten, umso schmerzhafter und tiefer werden die Einschnitte sein, die wir letztendlich vornehmen müssen. Dies könnte im schlimmsten Fall zur Schließung von Einrichtungen, z.B. im kulturellen Bereich führen. Denn nicht alles was heute populär ist, kann morgen auch finanziert werden.
Unsere Fraktion hat gefordert, mit der Beantwortung der Frage, was mit dem Mühlehof geschehen soll, bis zum Jahr der Gartenschau zu warten. Dies vor allem auch deshalb, weil unsere „Häuptlinge“ in der Verwaltung mit der Vorbereitung und Abwicklung großer und wichtiger Aufgaben bis jetzt schon mehr als belastet sind: Sanierung der Ortskerne, Renovierung des Badischen und - so Grube will - des Württembergischen Bahnhofs, Baumaßnahmen in den Schulen oder der Neubau eines Jugendhauses, um nur einige zu nennen. Daneben laufen die Vorarbeiten zur Gartenschau mit Enznaturierung und Verbesserung des Hochwasserschutzes, wobei alles unter großem Zeitdruck zu erledigen ist. Eine wahre Herkulesaufgabe! Warum sich also zusätzlicher Hektik unterwerfen, zumal die laufenden Unterhaltkosten des Mühlehofkomplexes im Vergleich zu den Kosten einer neuen Halle überschaubar sind und dazu hin Mieteinnahmen garantieren?
Was gar nicht sein darf: Eine Baugrube oder ein Rohbau am Eingang zum Gartenschaugelände. Es würde uns landesweit ins Gerede bringen und den Besuchern weit mehr als ein ungläubiges Kopfschütteln entlocken.
Wir Freien Wähler erhoffen uns in den nächsten Wochen Gewissheit darüber, ob es gelingt, mit Hilfe privater Investoren eine weitere Sporthalle in der Kernstadt zu erstellen. Sollten sich die Bemühungen zerschlagen, muss die Stadt in die Offensive gehen. Die Verantwortlichen des Schul- und der Vereinssports warten mit Sehnsucht auf eine Verbesserung der Sportstättensituation. Ähnliches gilt für den Trainings- und Spielbetrieb des TSV Phönix Lomersheim. Die sehr gute Jugendarbeit des Vereins braucht bessere Trainingsbedingungen; durch die Anlage eines Kunstrasenplatzes kann dies ermöglicht werden. Dafür bedarf es aber finanzieller Unterstützung mehrerer Seiten, so auch der Stadt; allein kann der Verein die große Aufgabe nicht schultern.
Was bleibt noch anzumerken: Ausdrücklich positiv haben wir registriert, dass unsere Verwaltung begonnen hat, pragmatisch und kostenbewusst zu denken und was noch besser ist, auch zu handeln. In den Festhallen in Enzberg und Lomersheim wurden mit geringen Mitteln und eigenen Kräften Schönheitsreparaturen durchgeführt.
In Zeiten knappen Geldes ist dies der einzig gangbare Weg. Jahrelang versuchte man uns weiß zu machen, dass Abbruch und Neubau allemal günstiger wäre, und man deshalb an den Gebäuden nichts renovieren wolle. Wir möchten Sie ermuntern, diese neue Richtung fortzusetzen. Die Besucher oder Sportler werden es Ihnen danken, ebenso wenn – wie von uns gewünscht - Lautsprecheranlagen rechtzeitig renoviert oder erneuert werden.
Geärgert haben wir uns darüber, dass die Heizung in der neuen Dürrmenzer Sporthalle schon nach wenigen Jahren ihren Geist aufgegeben hat und nicht mehr zu reparieren ist. Unbeantwortet bleibt wohl die Frage, wer diesen Murks zu verantworten hat.
Wünschen würden wir uns, dass unsere Verwaltung ihren Hang zur „Gutachterritis“ einschränken würde. Mit etwas mehr Mut und Eigenverantwortung ließen sich erhebliche Summen einsparen. Nur einige Beispiele: Abriss-Gutachten Mühlehof
50 000.-, Vorbereitung Wettbewerb Jugendhaus 25 000.-, Vorbereitung Wettbewerb Stadtmitte 100 000. - Euro. Wer den Nutzen davon hat? Unumstritten zumindest das hierfür beauftragte Büro!
Aber jetzt zum Erfreulichen: In Dürrmenz wird mit dem Sommerberg ein neues Baugebiet erschlossen und was noch viel wichtiger ist, mit der Erneuerung des alten Ortskerns – dem Kanne-Schuler-Areal - kann nach sieben Jahren schier unerträglicher Passivität und sich endlos hinschleppender Erwerbsverhandlungen endlich begonnen werden. Die Planungsphase ist abgeschlossen, die möglichen Investoren stehen Gewehr bei Fuß. Deshalb unser Appell an die Verantwortlichen der Verwaltung. Wir erwarten spätestens Ende Januar / Anfang Februar 2011 (!) die Vorstellung der Planungsvarianten. Keine Woche darf jetzt mehr verloren gehen.
Vorsicht: Das war ein kurzer Abschnitt aus meiner Rede vom vergangenen Jahr! Anders als bei Kohls Neujahrsansprache, war die Wiederholung von mir beabsichtigt, um deutlich zu machen, welches „Wahnsinnstempo“ im Dürrmenzer Ortskern vorgelegt wurde. Erst in diesen Tagen sehen unsere Bürger nach langen Jahren des Wartens, dass sich auf dem Gelände etwas tut. Mit den Abbrucharbeiten wurde jetzt endlich – Anfang 2012 – begonnen; zum Schluss betätigte sich der Denkmalschutz noch als weiterer Bremser.
Ob die Verträge mit den möglichen Investoren zur Unterzeichnung vorliegen, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir müssen aber höllisch aufpassen, dass uns die Zeit, sprich das drohende Ende des Sanierungsprogramms – und damit die Förderung durch das Land - nicht davon läuft. Die Folgen wären verheerend!
In den nächsten Wochen sollten wir uns auch intensiv mit dem Thema „Konversion des Ziegeleigeländes“ befassen. Wir unterstützen die ersten gedanklichen Vorstellungen, was dort einmal entstehen könnte. Bei einem Rundgang konnten wir uns davon überzeugen, dass hier ein herrlich gelegenes Wohngebiet Platz hätte, und dies in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes. Handel und Dienstleistung finden dort ebenfalls einen idealen Standort. Den Beginn machte der Enzkreis, deshalb den dort Verantwortlichen herzlichen Dank für die Ansiedlung des Jobcenters.
Als Mittelzentrum sind wir aber auch verpflichtet, für den industriellen und gewerblichen Bereich zusätzliche Flächen zu schaffen. Arbeitsplätze ziehen Menschen an, die dann auch bei uns wohnen oder gar selbst bauen wollen. Das eine geht nicht ohne das andere, darauf hat unser OB mit Recht verwiesen. Und beides sorgt wiederum für Einnahmen, auf die wir dringend angewiesen sind.
Abschließend sei Dank gesagt an die Kämmerei für die mühsame Aufstellung des Plans, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, der Regiebetriebe und der Stadtwerke für ihre insgesamt engagierte Arbeit und letztlich den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt für ihre Mitwirkung am Gemeinwesen, sei es im Ehrenamt, sei es ideell oder wenigstens finanziell.
Wir stimmen dem HH 2012 zu!
Rolf Leo
Fraktionsvorsitzender