Mühlacker, 15.12. 2015
Freie Wähler zum Haushalt 2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren,
der heute zu verabschiedende Haushaltsplan erscheint auf den ersten Blick ein recht problemloser zu sein: Er beinhaltet beachtliche Investitionen in Höhe von rd. 7,5 Mio Euro, dies insbesondere für den Bau der lang ersehnten Großsporthalle, und das Erfreuliche daran ist, es müssen zur Finanzierung keine zusätzlichen Schulden gemacht werden. Nimmt man das zu erwartende positive Abschlussergebnis von 2015 mit hinzu, so könnte man meinen, wir dürften recht sorgenfrei in die Zukunft schauen.
Das Gegenteil ist der Fall: Weltpolitische Krisen, wie z.B. in der Ukraine und vor allem im Nahen und Mittleren Osten, haben bislang noch kaum Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, und damit auch auf den äußerst positiven Konjunkturverlauf in unserem Land gezeigt. An den deutlich gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen merken wir dies auch in Mühlacker, und das erstmals wieder seit Jahren! Aber furchtbare Terroranschläge und verstärkte Militäreinsätze in den Krisengebieten lassen erahnen, auf welch wackeligen Beinen der Frieden und die Weltwirtschaft stehen.
Von einem „Haushalt voller Herausforderungen“ sprachen unser OB und die Kämmerin bei der Einbringung und meinten damit in erster Linie die Folgen und die Bewältigung der Zuwanderung und der Flüchtlingswelle. Derzeit sind rund 400 Flüchtlinge in unserer Stadt untergebracht; nach Prognosen unseres Landratsamtes könnten es bis Ende 2016 rund 800 sein, also doppelt so viele wie heute. Wir werden in unseren Kindergärten und Schulen vermehrt Plätze und Personal bereitstellen müssen. Wir wissen seit längerem, dass es an bezahlbarem und günstigem Wohnraum in unserer Stadt fehlt. Die Unterbringung der Zuwanderer erhöht den Druck. Wir erwarten, dass sich unsere Verwaltung dieses Problems jetzt gezielt annimmt und zu Beginn des neuen Jahres dem Gemeinderat Lösungsvorschläge zur Beratung vorlegt. Wie beim Enzkreis, so werden auch bei der Stadt die Ausgaben im sozialen Bereich in den kommenden Jahren zwangsläufig deutlich ansteigen.
Das abgelaufene Jahr war geprägt von der Gartenschau. Eine in dem Maße von niemand erwartete Erfolgsstory. Besucherrekorde und durchweg zufriedene Menschen haben uns gezeigt, dass die Entscheidung richtig war, ein solches Jahrhundertereignis anzugehen. Mühlacker hat sein Gesicht zum Positiven verändert. Die neuen Anlagen links und rechts der Enz werden auch nach Ablauf der vier Monate von Jung und Alt gerne angenommen und ein verbesserter Hochwasserschutz hat ebenso die Nachhaltigkeit des Projekts bewiesen. Mühlacker erlebt als Folge eine noch nie dagewesene Aufbruchstimmung, auch dies ist eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen.
Dass dieses positive Gesamtbild mit dem Abbruch des Mühlehofs einhergehen muss, stimmt uns betrüblich. Wenn es denn tatsächlich so kommt, wie es sich die Stadtverwaltung und die Mehrheit im Gemeinderat aus CDU, LMU und FDP erträumen, werden unsere Bürger über zwei Jahre hinweg mit einer Dauerbaustelle zu kämpfen haben, d.h. Staub und Krach werden zum Alltag gehören. Kommerz statt Kultur ist dann zukünftig im Zentrum angesagt. Unbestritten werden sich dann dort mehr Menschen aufhalten. Ob das Gebäude aber städtebaulich ein Gewinn sein wird, darf zumindest angezweifelt werden. Die kurze „Halbwertszeit“ solcher Geschäftszentren ist hinlänglich bekannt und das erfüllt uns Freie Wähler mit Skepsis und großer Sorge.
Musik und Kunst waren tragende Säulen des Erfolgs der Gartenschau. Der Mühlehof wird eine Lücke im kulturellen Leben der Stadt und im weiteren Umland hinterlassen. Wir haben deshalb darauf gedrängt, dass der Uhlandbau so instand gesetzt wird, dass er für einige Jahre den Kulturveranstaltungen eine Bleibe bieten kann. Ob wir die „Heinzelmann-Halle“ in den Sommermonaten nützen können, werden die Verhandlungen zeigen. Ziel muss sein, in den nächsten Jahren den Bau einer Stadthalle anzuvisieren, einer Halle, die für Konzerte, Theater und Tagungen genügend Sitzplätze bietet, so dass auch der traditionelle Neujahrsempfang wieder durchgeführt werden kann.
Wichtig ist uns, dass wir im kommenden Jahr endlich damit beginnen, die Mehrzweckhallen in Lomersheim und Enzberg auf Vordermann zu bringen. Haushaltsansätze sind vorhanden; wir werden darauf achten, dass die Maßnahmen auch angepackt und durchgeführt werden. Die Sanierungsgebiete in Dürrmenz und Lienzingen laufen erfolgreich weiter, für Lomersheim werden – so hoffen wir – die Zusage und die Fördermittel des Landes eintreffen.
Mit der Ausweisung neuer Wohngebiete haben wir dafür gesorgt, dass Bauwillige Plätze erwerben können. Die große Nachfrage zeigt, dass der Markt noch längst nicht gesättigt ist. Auch deshalb muss es auf dem Gebiet der ehemaligen Ziegelei jetzt zügig weitergehen. Dasselbe gilt für Restflächen in Dürrmenz, den Pforzheimer Weg in Großglattbach und für die Pferchäcker in Lienzingen. Wir haben als Fraktion der Verwaltung klar signalisiert, dass wir die Priorität in der Ausweisung und Erschließung solcher Gebiete sehen.
Für unsere Kindergärten und Schulen sind neben den laufenden Kosten für Gebäude und Personal auch Unterhaltungsmaßnahmen vorgesehen. Auf deutlich mehr als zehn Millionen Euro beläuft sich zwischenzeitlich der Betrag, den die Stadt jährlich für diesen wichtigen Aufgabenbereich drauflegen muss.
Ob wir in den nächsten Jahren alle unsere Einrichtungen wie gewohnt unterhalten und finanzieren können, hängt auch von den eingangs erwähnten Unsicherheiten ab. Dass wir zukünftig mit der Einführung der neuen Haushaltsführung „Doppik“ weitere Probleme bekommen werden, den Haushalt genehmigt zu bekommen, darauf verwies unsere Kämmerin in ihrer Rede. Anzumerken ist, dass jetzt schon der Haushalt nur ausgeglichen werden kann, weil wir aus der Rücklage 3,3 Mio Euro entnehmen und stolze
5 Mio Euro aus Verkaufserlösen von Bauland eingeplant sind, d.h. aber nichts anderes, als dass wir zu großen Teilen von der Substanz leben. Und das stimmt letztlich doch sehr bedenklich.
Unsicherheit darüber, ob wir Deutschen die Zuwanderungswelle schaffen oder nicht, kennzeichnen die Diskussionen im Lande und beschäftigen auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Mühlacker mit Sorge. Die erwähnten großen Herausforderungen bieten gleichzeitig aber auch Chancen für unsere Stadt, die wir mutig aufgreifen und angehen sollten.
Passend erscheint mir deshalb ein Zitat des griechischen Philosophen Aristoteles, der schon vor mehr als 2 300 Jahren zu der Erkenntnis gelangte:
„Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen.“
Abschließend sei Dank gesagt an die Kämmerei für die Aufstellung des Plans, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, der Regiebetriebe und der Stadtwerke für ihre insgesamt engagierte Arbeit, und schließlich den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt für ihre Mitwirkung am Gemeinwesen, sei es im Ehrenamt, sei es ideell oder wenigstens finanziell.
Wir stimmen dem Haushaltsplan 2016 zu.
Rolf Leo
Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler