GR-Sitzung am 04.02.2019

Rede der Freien Wähler zum Haushalt 2019
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
wir stehen vor einer der gewaltigsten Umwälzungen in der Geschichte der Menschheit. Die Digitalisierung wird unser Wirtschafts- und Arbeitsleben grundlegend verändern. Der Einsatz von Robotern und 3 D-Druckern oder die Fortentwickelung sogenannter Künstlicher Intelligenz bringen für die einen ungeahnte Chancen, für andere bergen sie große Risiken. Die totale Vernetzung hat außerdem tiefgreifende Auswirkungen auf unser menschliches Zusammenleben.  Auf dem Spiel steht die Privatsphäre jedes einzelnen: Ausplünderung und Missbrauch unserer Daten durch globale Konzerne oder  durch private Hacker, wie jüngst geschehen. Was noch schlimmer wiegt: die Zukunft unserer Demokratien ist gefährdet. Über die sozialen Medien wird manipuliert auf Teufel komm raus und Wahlen und Volksabstimmungen werden unverhohlen beeinflusst.
In diesen Zeiten des Umbruchs und der Ungewissheit  sind auch wir in Mühlacker gefordert, unsere Zukunft zu gestalten. Die großen Themen, die wir zu bearbeiten haben, sind allen bekannt:  Wohnen und Handel in der ehemaligen Ziegelei, Bau einer neuen Stadthalle, Neugestaltung des Lindach-Schulbereichs,  Ausweisung weiterer Gewerbegebiete, Integration neuer Mitbürger und vieles mehr. Themen, die wir seit längerem auf der Agenda haben, und die nun – so unser Wunsch – recht schnell angegangen werden müssen. Wir teilen die Kritik vieler unserer Mitbürger, dass einiges bei uns zu lange dauert. Ein herausragendes Negativbeispiel dafür: Die Bebauung des Bijouteriegeländes in Dürrmenz.
Allerdings, und deshalb meine Vorbemerkungen, müssen sich unsere seitherigen Positionen an den neuen Entwicklungen messen lassen. Ein Thema, das uns seit Jahren bewegt, ist die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen. Brauchen wir tatsächlich - wie seither angenommen - weitere 25-30 Hektar Industrieflächen?  Die ungewisse Zukunft unserer Automobilindustrie und Turbulenzen im Welthandel lassen bei vielen Mitbürgern Sorge um den Arbeitsplatz aufkommen. Und für uns im Gemeinderat wird die Entscheidung über die notwendige Größe eines neuen Gebietes dadurch nicht leichter.         
Klar ist: Für unsere heimischen Betriebe müssen wir Flächen für eventuelle Betriebserweiterungen bereitstellen. Wir sind als Fraktion entschlossen, uns in den nächsten Monaten intensiv an der Lösungssuche zu beteiligen. Es wäre schön, man könnte zusammen mit Illingen eine Fläche finden, die sich landschaftsverträglich und fern von Wohnbebauung erschließen ließe. Um neue große Firmen hierher zu locken, fehlt uns aber der Platz. Unsere Fraktion ist nicht bereit und wehrt sich seit langem dagegen, noch freie, offene Landschaften wie den Bereich gegenüber den Waldäckern durch riesige Betonhallen vollpflastern zu lassen. Es wäre auch sinnwidrig, unseren Landwirten gerade dort die hervorragenden Böden wegzunehmen, wo sie als Zulieferer unserer Biomethananlage ihre Erwerbsgrundlage haben.  
Statt dem Mühlehof haben wir jetzt ein großes Loch in der Stadtmitte. Wir wollen den Schritt einer Neubebauung wagen. Eine Stadthalle mit ähnlichem Fassungsvermögen wie der Vorgängerbau, robust und vielseitig nutzbar, das ist unsere Vorstellung. Angesichts der warmen, trockenen Sommermonate sollten sich Halle und Foyer hin zum Kelterplatz öffnen lassen, um beide als Spiel- und Aufenthaltsort nutzen zu können. Betrachtet man die Kostenexplosion bei der Feuerwache, traut man sich kaum darüber nachzudenken, ob wir uns ein solches Projekt leisten können. 10, 15 oder wie viel Millionen, wer bietet mehr? Wir sind deshalb keinesfalls geneigt, den Wunschvorstellungen der Verwaltung zu folgen, auf dem Gelände eine neue Stadtbibliothek, VHS und anderes mit unterzubringen. Ein gewichtiges Argument der Abrissbefürworter des Mühlehofs war ja, dass eine Sanierung sich nicht lohnen würde, weil multifunktionale Komplexe teuer und auf Dauer nicht händelbar seien. Wir würden uns allerdings wünschen, dass auf dem freiwerdenden Gelände der alten Feuerwache ein Hotel entstünde, weil dies in unmittelbarer Nachbarschaft zur Halle eine sinnvolle Ergänzung wäre.
Festzuhalten bleibt: Eine neue Stadthalle können wir finanziell nur schultern, wenn es gelingt, in den nächsten Wochen ein Verhandlungsergebnis mit den potenziellen Investoren des Ziegeleiareals zu erreichen. Das städtebauliche Konzept steht seit langem, jetzt ist es an der Zeit, dass mit der Realisierung begonnen werden kann. Wir appellieren an Sie, Herr Oberbürgermeister, dass Sie Ihr Versprechen halten, in den ersten Sitzungen des Jahres die möglichen Investoren hier im Gremium ihre Ideen vorstellen zu lassen. Und eine Bitte: Verschonen Sie uns mit dem Wunsch nach weiteren Gutachten. Sie bestätigen in der Regel nur das, was wir schon wissen, verschleppen die Umsetzung des Projekts und kosten dazuhin viel Geld!   
Den Sanierungsstau unserer Schulen haben wir in den vergangenen Jahren mit hohem finanziellem Aufwand verkleinert. Das Lindach-Schulzentrum ist als nächstes an der Reihe. Der neuen großen Sporthalle folgen der Bau der Mensa und die Sanierung der Realschule. Wir kritisieren, dass die Gespräche mit Schulleitern, Elternvertretern und Planern bislang ohne Beteiligung der Fraktionsvertreter stattfanden. Mühsam müssen wir uns Informationen bei den Beteiligten zusammensammeln und erfahren dabei, dass nicht alles zur Zufriedenheit läuft. Ärgerlich in dem Zusammenhang auch, wie man seitens des Amtes für Bildung und Kultur versucht, die Schulsozialarbeit anders aufzustellen und darauf beharren will, die Leistungen europaweit auszuschreiben. Es geht anders, davon sind wir überzeugt!
Ansonsten stehen natürlich auch in den anderen Schulen immer wieder Renovierungsmaßnahmen an, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Neue Fenster, Toilettenanlagen oder Farbanstriche sind erforderlich, sei es in der Wendlerschule oder in der Dürrmenzer Schule. Wir haben Verständnis dafür, dass aus personellen und finanziellen Gründen nicht alles auf einmal erledigt werden kann. Zu überlegen ist allerdings, ob wir nicht für unsere Schulen mit hohem Anteil von auswärtigen Schülern versuchen, die Nachbargemeinden mit ins Boot zu holen. Mit rund fünf Millionen Euro belastet dieser wichtige Bereich Jahr für Jahr unser Stadtsäckel. Acht Grundschulen, je eine Gemeinschafts- und eine Realschule, eine Förderschule und ein Gymnasium mit zusammen 2 900 Schülerinnen und Schülern wollen unterhalten sein. Bei den weiterführenden Schulen beträgt der Auswärtigenanteil rund ein Drittel. Schuldenfreie Nachbargemeinden wären vielleicht froh, sie könnten ihre Ersparnisse bei uns sinnvoll in die Ausbildung ihrer Kinder anlegen!  
Bei den Personalkosten wird in diesem Jahr erstmals die 20 Mio Schwelle überschritten. Vor zehn Jahren waren es noch 12 Mio Euro. Wir werfen der Verwaltung nicht vor, dass sie willkürlich neue Stellen fordert. Schuld an der Stellenvermehrung haben größtenteils andere. Die Gesetzgebung von Bund und Land hat zur Folge, dass den Kommunen zusätzliche Pflichten auferlegt werden: Rechtsanspruch auf Kleinkindbetreuung, Ganztagesunterricht mit Mensaverpflegung, Integration von Flüchtlingen und vieles mehr. Irgendwann wird die finanzielle Last ohne zusätzlichen Ausgleich nicht mehr zu tragen sein.
Unsere größten Finanzierungsbrocken im Vermögenshaushalt sind in diesem Jahr: Die neue Feuerwache mit weiteren 4,5 Mio Euro - hoffentlich bleibt´s dabei -, 1,8 Mio für den Kindergartenneubau in Lienzingen, rund 2 Mio für die Ortskernsanierungen in Lienzingen, Mühlhausen und - endlich - in Lomersheim. Maßnahmen, die wir alle für wichtig erachten, ebenso wie die geplanten 360 000 Euro für den Hochwasser- und Starkregenschutz.
Auch beim Unterhalt unserer Straßen stehen wir in der Pflicht: Vorgesehen sind neben einer Reihe kleinerer Ausbesserungsmaßnahmen der barrierefreie Ausbau einiger Bushaltestellen.  Die Schillerstr., die Herm.Hesse-Str., die Lienzinger Straße, der Bodenrainweg oder die Höhenstraße, um nur einige Beispiele maroder Straßen herauszugreifen, sie können auch dieses Jahr noch nicht ausgebaut werden. Für die Anlieger und Nutzer der Straßen ein großes Ärgernis; ein schwacher Trost mag sein: Zumindest die Aufträge an Planungsbüros können jetzt erteilt werden.
Geärgert haben wir uns über die Einschränkungen bei den Hallennutzungen in Enzberg und Mühlhausen, die sich unsere Vereine gefallen lassen mussten. An solchen Beispielen wird auch deutlich, dass das „Bürokratiemonster“ immer öfter zuschlägt: Die Auflagen und Vorschriften, die eingehalten werden müssen, sind oft nur schwer nachvollziehbar.  Und gelegentlich wäre es schön, wenn das zuständige Amt schneller und pragmatischer reagieren würde.
Die Aufgabenfülle ist enorm, deshalb an dieser Stelle unser ausdrücklicher Dank an die Verantwortlichen in der Verwaltung, den Regiebetrieben und den Stadtwerken mit allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir wissen zu schätzen, dass viele von Ihnen Überdurchschnittliches leisten!
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns angesichts der vielen anstehenden Aufgaben und der gleichzeitig sehr beschränkten Finanzmittel mit gesundem Optimismus und Tatendrang in das neue Jahr gehen, und dazu vielleicht passend zum Schluss noch ein Zitat, das Aristoteles zugeschrieben wird und das zu den eingangs erwähnten Verwerfungen und Umbrüchen passen mag:
Wir können den Wind nicht ändern,
aber wir können die Segel
richtig setzen.

Wir Freien Wähler stimmen dem Haushalt 2019 zu!
Rolf Leo
Fraktionsvorsitzender

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