4.2.2025
Auch in Mühlacker: Finanzielle Not wird größer
Rede der Freien Wähler zur Verabschiedung des Haushaltsplans 2025
Die verzweifelten Hilferufe der Kommunen und Landkreise mit der Bitte um mehr finanzielle Unterstützung für die ihnen von Bund und Land aufgezwungenen Aufgaben waren weitgehend erfolglos. Deshalb sind Städte wie Mühlacker nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte auch nur annähernd auszugleichen.
Um zumindest die laufenden Projekte im Zuge der Ortskernsanierungen in Dürrmenz, Lienzingen, Lomersheim und Mühlhausen fortzuführen und zu vollenden, verlangt es einen kräftigen Griff in die „Liquiditätsreserve“, dem Sparschwein der Stadt, von mehr als acht Millionen Euro. Die Rücklage schrumpft von 14,7 Mio Euro auf 6,4 Mio Euro. Weitaus bedenklicher ist die Tatsache, dass sich die Stadt mit 9,5 Mio Euro neu verschulden muss, und dann einen Schuldenstand von rund 30 Mio Euro angehäuft hat. Ein Negativrekord!
Was sind die Ursachen dieser finanziellen Schieflage? Ein Beispiel: Der Enzkreis musste die Kreisumlage kräftig erhöhen, um die explodierenden Sozialausgaben schultern zu können. Für Mühlacker bedeutet dies, dass die Umlage von 14,5 auf 15,8 Mio Euro steigt. In den vergangenen Jahren reichten die Einnahmen aus der Gewerbesteuer aus, um diese Umlage aufzufangen. Dieses Jahr liegt der Ansatz mit 14,5 Mio Euro deutlich darunter. Es bleibt nur die stille Hoffnung, dass das Aufkommen an Gewerbesteuer nicht einbricht, weil sich die Rahmenbedingungen und die wirtschaftliche Lage unserer Betriebe noch mehr verschlechtern.
Ein weiteres Beispiel: Für Flüchtlingsunterkünfte sind dieses Jahr mehrere Millionen Euro für neue Container, Erwerb von Gebäuden und Mieten eingeplant. Zu erwartende Zuschüsse decken die Ausgaben bei weitem nicht. Hinzu kommen ein steigender Bedarf an Kindergartenplätzen und Ausgaben im schulischen Bereich und ein erhöhter Personalbedarf zur Betreuung. Dazu kommt noch, dass wir seit Oktober 2024 monatlich 86 000 Euro an den Enzkreis als Fehlbelegungsabgabe abführen müssen. weil wir nicht genug Plätze für Flüchtlinge haben. Wie zu hören ist, hat die Verwaltung aber erst vor wenigen Wochen einen Architekten beauftragt, den Umbau der ehemaligen Feuerwache in der Rappstraße übergangsweise für eine Unterkunft zu planen. Viele Monate früher hätte dies schon geschehen können, denn der Gemeinderat hatte einen Beschluss schon vor einem Jahr gefasst.
Sparen ist angesagt, die Frage ist wie? Zwangsläufig müssen Sanierungen von Schulen, z.B. das Lindach-Schulzentrum, von Stegen, Brücken oder maroder Straßen in kommende Jahre verschoben werden, so der Vorschlag der Verwaltung. Also kein wirkliches Sparen, sondern ein Verschieben in die nahe oder ferne Zukunft. Keine gute Lösung, denn die Kosten zur Behebung der dann größer werdenden baulichen Schäden werden mit jedem Jahr höher. Der Sanierungsstau wird unüberschaubar groß, wenn sich Bund und Land nicht mehr als bisher am Bau und am Unterhalt von Kitas oder Schulen beteiligen, was auch ihre Pflicht wäre.
Wir Freien Wähler beklagen seit Jahren, dass die Personalkosten rapide ansteigen, zwischenzeitlich sind es 26 Mio Euro. Der Spielraum für notwendige Investitionen wird dadurch Jahr für Jahr erheblich eingeengt. Wir leisten uns erstmals einen Pressesprecher und eine Stadtjugendreferentin, mehrheitlich gegen unsere Stimmen beschlossen. Dazuhin seit mehreren Jahren Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte, Stellen für Kinder- und Jugendsozialarbeit, Wirtschaftsförderer und Citymanager, eine neue Stelle bei der VHS, Klimabeauftragte und Sachbearbeiter für den Bau von Radwegen oder einem Fahrrad-Parkhaus. Stellen, die zum Teil geschaffen wurden, weil es für zwei oder drei Jahre Landeszuschüsse gab, die dann nachfolgend in feste Arbeitsplätze überführt wurden. In ihrer Vielzahl aber auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Bund und Land erzwingen darüber hinaus durch neue Gesetze weitere Stellen, halten sich dann aus der Finanzierung heraus.
Wer Sparen ernst meint, muss bereit sein, den Stellenplan kritisch zu durchleuchten. Wir erwarten von der Verwaltung, dass sie uns diesbezüglich Vorschläge unterbreitet. Wir fragen konkret, ob es beispielsweise nötig ist, sich die Doppelstruktur Wirtschaftsförderer und Citymanager zu leisten? Auffallend ist, dass in einzelnen Ämtern die Fluktuation des Personals sehr groß ist, und nachfolgend Stellen nur schwer zu besetzen sind. Fragt man bei Ausscheidenden nach, so wird als Grund auch Unzufriedenheit mit der Führungskultur angegeben. Hier scheint einiges verbesserungswürdig zu sein!
Wir sind uns mit den anderen Fraktionen einig, dass wir weitere Kindergartenplätze benötigen, sei es als Neubauten oder Erweiterung bestehender Kitas. Weil die Ganztagesbetreuung von Grundschulkindern zur Pflicht wird, müssen wir mit notwendigen Baumaßnahmen in der Dürrmenzer UvD-Schule beginnen. Eingestellt sind dafür zunächst Planungskosten von 100 000 und folgend 200 000 Euro in 2026; der Umbau soll dann in den Jahren 2026 bis 2028 stattfinden. Es wird mit Kosten von mehr als 10 Mio Euro gerechnet. Wir fragen uns, ob statt umfassender Sanierung ein Abbruch des nord-westlichen Teils nicht sinnvoller wäre und dafür einen Anbau in modularer zeitgemäßer Bauweise zu erstellen.
Unsere Stadtteile pochen auf die Sanierung ihrer Turn- und Festhallen. Wir unterstützen dies, könnten uns auch vorstellen, den Großglattbachern bei der Sanierung ihrer Vereinshalle finanziell unter die Arme zu greifen. Lomersheim - mit der Fertigstellung der Wendlerschule und dem Umbau der Festhalle – ist einer der Sanierungsschwerpunkte, Mühlhausen und Lienzingen ebenso. Für Enzberg bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung ihren Auftrag für einen Ersatz des Enzsteges zu sorgen, ernst nimmt. Dasselbe gilt für den Ersatzbau der Brücke in Mühlhausen. Der Uhlandbau wird im Frühjahr hoffentlich so hergestellt sein, dass mit Benützung der Empore auch wieder größere kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen möglich sein werden.
Insgesamt ist festzustellen, dass diese Fülle von baulichen Maßnahmen viele Beratungsstunden des Gemeinderates erfordern, und vor allem – und das wollen wir ausdrücklich hervorheben – große Anstrengungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betreffenden Ämter. Nachdem sich im Tiefbauamt die personelle Situation verbessert hat, fordern wir, dass zusammen mit den eingeschalteten Ingenieurbüros die Enzberger Höhenstraße und die notwendigen Maßnahmen zum Hochwasserschutz wieder aufgegriffen und zügig abgearbeitet werden. Kritisch merken wir an, dass unsere Verwaltung sehr schnell bereit ist, Machbarkeitsstudien, Gutachten und Planungsaufträge mit jeweils großen Honorarsummen zu vergeben, obwohl in der Verwaltung selbst eine Reihe von Fachingenieuren beschäftigt ist. Ob hier der Grundsatz „doppelt gemoppelt hält besser“ angebracht ist, bezweifeln wir!
Vorausgesetzt, die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich nicht noch mehr, sollte es gelingen, die Maßnahmen wie im Haushalt geplant, durchzuziehen. Der Ausblick auf die folgenden Jahre ist allerdings besorgniserregend. Nichtsdestotrotz müssen wir bei der Neugestaltung der Stadtmitte nach Lösungen suchen, denn wir alle wollen das Loch im jetzigen Zustand nicht länger ertragen. Fehlende finanzielle Mittel verbieten derzeit den Bau einer neuen Stadthalle. Deshalb haben wir als Fraktion im vergangenen Jahr die 50 000 Euro für die Machbarkeitsstudie „Neue Mitte“ abgelehnt und hielten die 80 000 Euro als Honorar für die Einschaltung professioneller Büros für eine „qualifizierte“ Bürgerbeteiligung für weit überzogen. Einwohnerversammlungen und die Möglichkeit zu Stellungnahmen im Internet der Stadt hätten voll ausgereicht, um die Meinung der Bürgerschaft zu erfragen. Jetzt liegt der Ball wieder beim Gemeinderat und es obliegt der Phantasie der Fraktionen, zusammen mit der Verwaltung nach einer bezahlbaren Übergangslösung zu suchen. Unsere Fraktion plädiert nach wie vor dafür, das Loch teilweise aufzufüllen, und den Platz mit viel Grün für Veranstaltungen nutzbar zu machen.
Die Bebauung der „Ziegelhöhe“ geht mit Riesenschritten voran. Wir sind froh, dass wir mit der Hofkammer des Hauses Württemberg einen Investor gefunden haben, der mit finanziellem Rückhalt und großem Elan die Umwandlung des ehemaligen Ziegeleigeländes in ein modernes Wohngebiet in Angriff genommen hat. Und es freut uns ganz besonders, dass die Familien Craiss und Kirschbaum sich entschlossen haben, entlang der Ziegeleistraße mit erheblichen finanziellen Anstrengungen und Risikobereitschaft in die Zukunft ihrer Unternehmen kräftig zu investieren. Ein Lob den Verantwortlichen in der Verwaltung und bei den Stadtwerken, die bei diesem Jahrhundertprojekt alle Hebel in Bewegung setzten, dass die baulichen Vorhaben zügig umgesetzt werden können.
Noch ein Wort zur Grundsteuer. Mühlacker hat sein Versprechen gehalten, das Aufkommen in der Summe so zu halten, wie in den Jahren vor der Reform. Dass Besitzer großer Grundstücke nun kräftig zur Kasse gebeten wurden, war von der grün-schwarzen Landesregierung so gewollt. Den örtlichen Gutachterausschüssen wäre es erlaubt gewesen, differenziertere Einteilungen der Bodenrichtwertszonen vorzunehmen. Im Landkreis Calw wurde eine solche Nachjustierung vorgenommen. Unsere Fraktion brachte im vergangenen Jahr das Thema im Gemeinderat zur Sprache. Wir hätten uns dabei mehr Unterstützung der anderen Fraktionen und der Stadtverwaltung gewünscht, um die Gutachter zum Überdenken ihrer Haltung zu bewegen.
Wir bedanken uns bei unserer Führungsspitze, den Herren Oberbürgermeister Schneider und Bürgermeister Dauner, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, sowie der Regie-.und Eigenbetriebe für Ihre zuverlässige Arbeit. Dank auch der Geschäftsführung und Belegschaft unserer Stadtwerke, die mit dem Breitbandausbau, der Erweiterung der Biomethananlage und den Planungen zur Windkraftanlage wichtige und schwierige Aufgaben zu bewältigen haben.
Wir stimmen dem HH-Plan 2025 zu, obwohl wir manche der Entwicklungen sehr kritisch sehen.
Rolf Leo Fraktionsvorsitzender