30. Januar 2024

Krisen beuteln unsere Stadt, Rede zur Verabschiedung des Haushaltplans 2024

Wer geglaubt hat, nach den Jahren der Pandemie und der Lockdowns könne man wieder zum gewohnten Leben zurückkehren, sah sich getäuscht. Die Auswirkungen der derzeitigen Kriege und Krisen machen auch vor unserer Stadt nicht halt.

Die Nachricht von Insolvenzen des Steuler-Werkes und traditionsreicher Geschäfte haben eingeschlagen wie eine Bombe. Sie machen uns zutiefst betroffen. Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel, schwächelnde Baukonjunktur und ein sich über drei Jahre hinschleppender Bau der Herrenwaagbrücke sind die Ursachen, um nur einige zu nennen.

Und der Blick in die Zukunft? Es besteht derzeit keine Aussicht auf Friedensgespräche, im Gegenteil, die weltweiten Konflikte nehmen an Schärfe zu. Und die Transformation der Autoindustrie als Folge der ambitionierten Klimaziele fordert ihren Tribut. Bosch, Daimler und andere kündigten bereits Personalentlassungen an. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist nicht gut, die Konjunkturaussichten sind mau. Es droht Rezession.

Gerade deshalb freut es uns ganz besonders, dass wir mit der Hofkammer des Hauses Württemberg einen Investor gefunden haben, der mit finanziellem Rückhalt und großem Elan die Umwandlung des ehemaligen Ziegeleigeländes in ein modernes Wohngebiet in Angriff genommen hat. Wir sind froh, dass die Familien Craiss und Kirschbaum sich entschlossen haben, entlang der Ziegeleistraße mit erheblichen finanziellen Anstrengungen und Risikobereitschaft in die Zukunft ihrer Unternehmen kräftig zu investieren. 

Zu vermerken ist, dass die Steuereinahmen – Anteil an der Einkommensteuer und dem Finanzausgleich mit der Zuweisung als finanzarme Stadt – seit einigen Jahren stabil sind. Die Gewerbesteuer ist mit 14,5 Mio Euro im Plan angesetzt, für Mühlacker Verhältnisse zwar relativ hoch, im Vergleich zu anderen Kommunen hinken wir aber deutlich hinterher. Gestiegen ist auch die Kreisumlage, die in etwa gleicher Höhe anfällt. Wie schon im vergangenen Jahr ist der HH-Plan den Auflagen und Vorgaben des Regierungspräsidiums (RP) geschuldet, das weitere einschneidende Korrekturen fordert, um die Eigenfinanzkraft zu erhöhen und die Neuverschuldung zu begrenzen. Eine dauerhafte Konsolidierung der Finanzen ist nicht möglich, wenn nur, wie bislang geschehen, dringend notwendige Investitionen in Schulen, Kindergärten, Straßen und Brücken in die kommenden HH-Jahre geschoben werden. 

Die Ausgaben für das Personal sind innerhalb von zehn Jahren von 14 Mio Euro auf etwas mehr als 24 Mio Euro angestiegen. Die Einwohnerzahl im Zeitraum 2014-2024 im Vergleich dagegen nur von 25 000 auf 26 500 Einwohner. Das sollte zu denken geben. Wir warnen seit Jahren vor dieser Entwicklung, denn der Spielraum für Investitionen wird von Jahr zu Jahr kleiner. Deshalb sollten Anträge von Fraktionen, die zusätzliches Personal erfordern, zukünftig kritisch seitens der Kämmerei kommentiert werden.

In der 50-jährigen Geschichte als Große Kreisstadt leisten wir uns seit kurzem erstmals einen Pressesprecher und eine Stadtjugendreferentin, mehrheitlich gegen unsere Stimmen beschlossen. Dazuhin schon seit mehreren Jahren Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte, Stellen für Kinder- und Jugendsozialarbeit, Wirtschaftsförderer und Citymanager, Klimabeauftragte und Sachbearbeiter für den Bau von Radwegen. Stellen, die zum Teil geschaffen wurden, weil es für zwei oder drei Jahre Landeszuschüsse gab, die dann nachfolgend in dauerhafte Beschäftigung übernommen wurden. Manche davon sicherlich berechtigt und notwendig, aber auf Dauer nicht finanzierbar. Bund und Land erzwingen durch ihre Gesetze neue Stellen, ziehen sich dann aus der Finanzierung zurück. Und das ist mehr als ärgerlich!

Auffallend ist, dass in einzelnen Ämtern die Fluktuation des Personals sehr groß ist, und nachfolgend die Stellen nur schwer zu besetzen sind. In einzelnen Fällen liegt es an der Besoldung, oft wird aber auch als Grund Unzufriedenheit mit der Führungskultur angegeben. Diese scheint verbesserungswürdig zu sein!

Wir sind uns mit den anderen Fraktionen einig, dass wir weitere Kindergartenplätze benötigen, sei es als Neubau oder Erweiterung einer bestehenden Kita. Weil die Ganztagesbetreuung von Grundschulkindern zur Pflicht wird, müssen wir mit notwendigen Baumaßnahmen sowohl in der Dürrmenzer UvD-Schule als auch im Lindach-Campus mit der konkreten Planung und der baulichen Umsetzung beginnen. 

Unsere Stadtteile pochen auf die Sanierung ihrer Turn- und Festhallen. Wir unterstützen dies, könnten uns auch vorstellen, den Großglattbachern bei der Sanierung ihrer Vereinshalle finanziell unter die Arme zu greifen. Lomersheim - mit der Fertigstellung der Wendlerschule und Umbaubeginn der Festhalle – ist einer der Sanierungsschwerpunkte, Mühlhausen und Lienzingen ebenso. Für Enzberg bleibt zu hoffen, dass der Enzsteg in diesem Jahr ersetzt werden kann, wie von uns beantragt, in Aluminium-Fertigbauweise. In Dürrmenz vollendet die Marktplatzgestaltung die überlange Bauzeit der Brücke. Zusammen gerechnet sind dies Investitionen von rund 20 Mio Euro, die nur finanzierbar sind, weil von der Hofkammer als erste Tranche neun Millionen für den Kauf des Ziegeleigeländes fließen und die Verschuldung der Stadt um drei weitere Millionen anwachsen wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass diese Fülle von baulichen Maßnahmen viele Beratungsstunden des Gemeinderates erfordern, und vor allem – und das wollen wir ausdrücklich hervorheben und loben – große Anstrengungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betreffenden Ämter. Nachdem sich im Tiefbauamt die personelle Situation verbessert, fordern wir, dass zusammen mit den eingeschalteten Ingenieurbüros die Enzberger Höhenstraße und die notwendigen Maßnahmen zum Hochwasserschutz wieder aufgegriffen und zügig abgearbeitet werden. 

Bei wirtschaftlich beständiger Lage sollte es gelingen, die Maßnahmen wie im HH geplant, durchzuziehen. Der Ausblick auf das Jahr 2025 ist besorgniserregend, weil dann nur noch eine Restsumme von drei Millionen von der Hofkammer zu leisten ist, und die Verschuldung nicht weiter anwachsen darf. Deshalb hoffen wir, dass sich bei der anstehenden Bürgerbeteiligung zur „Neuen Mitte“, wie auch bei der Stadtverwaltung mit dem Oberbürgermeister an der Spitze, die Einsicht durchsetzt, dass ein 70 Mio - Euro - Projekt mit Geschäften, Büros und neuer großer Stadthalle nicht zu finanzieren ist. Weder privat, noch von der Stadt über Nebenhaushalte. Dies auch deshalb, weil wir bei der Überplanung des „Mühlehof-Loches“ aus den gescheiterten Versuchen der letzten Jahre endlich lernen sollten. 

Bei der Neugestaltung der Stadtmitte müssen wir zuvorderst an die Folgen des Klimawandels denken, d.h. als Konsequenz „Mehr Grün statt Großbauten“. Deshalb haben wir als Fraktion die 50 000 Euro für die Machbarkeitsstudie abgelehnt, und halten die 80 000 Euro als Honorar für die Einschaltung professioneller Büros für eine „qualifizierte“ Bürgerbeteiligung für weit überzogen und unnötig wie ein Kropf. Einwohnerversammlungen und die Möglichkeit zu Stellungnahmen im Internet der Stadt hätten voll ausgereicht, um die Meinung der Bürgerschaft zu erfragen. 

Wir bedanken uns bei Oberbürgermeister Schneider, ebenso wie bei BM Abicht und seinem Nachfolger BM Dauner, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung und der Regie-.und Eigenbetriebe für Ihre zuverlässige Arbeit. Dank auch der Geschäftsführung und Belegschaft unserer Stadtwerke, die mit dem Breitbandausbau, der Erweiterung der Biomethananlage und den Planungen zur Windkraftanlage wichtige und schwierige Aufgaben zu bewältigen haben. 

Wir stimmen dem HH-Plan 2024 zu, obwohl wir manche Entwicklung sehr kritisch sehen.

Rolf Leo
Fraktionsvorsitzender

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